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Auf den Laufsteg! Diesmal: Modische Inspiration braucht mehr als nur Ästhetik

Dienstag Vormittag, Berlin. Die S-Bahn spuckt mich an der Haltestelle Ostkreuz aus. Vor ein paar Jahren, als ich in der Nähe gewohnt habe, gab es hier lediglich eine dreckige Überführung. An ihrer Stelle ist nun ein ganzer Bahnhof gewachsen. Es reichen nur ein paar Schritte, bis mir klar wird, dass das nicht die einzige Veränderung ist. Die vietnamesischen Spätis wurden gegen Bioläden eingetauscht, verqualmte Kneipen gegen stylische Cafés. Und zum neuen Antlitz des Friedrichshainer Kiez passt auch perfekt das Geschäft, zu dem ich gerade auf dem Weg bin.

Ein unauffälliges Ladenschild, eine große Schaufensterauslage. In den Holzregalen türmen sich T-Shirts und Jeans, vom Kleiderständer zwinkern mir Kleider zu. Brillen, Gürtel und Rucksäcke runden das Ganze ab. Auf den ersten Blick ein hübscher, aber insgesamt doch gewöhnlicher Showroom für Hipster. Aber wie so oft trügt auch hier der Schein. Die Kleidung, die das Geschäft Loveco anbietet, findet man nicht an jeder Ecke. Es arbeitet nämlich nur mit Marken zusammen, die nachhaltige und vegane Mode anbieten.

Vegan? Ja, ohne die Verwendung von tierischen Produkten, lächelt die Inhaberin des Geschäfts, die Kulturologin Christina Wille. Leder und Wolle sind Tabu. Massentierhaltung oder gar die Tötung von Tieren will sie nicht unterstützen. Und ihre Kunden, die sich von der „schnellen“ Mode abgewandt haben, für welche jede Menge Chemie und Sklavenarbeit erforderlich ist, können das gut verstehen. „Der Kiez ist perfekt für unsere Zwecke, die Bewohner interessieren sich für uns und leben bewusst. Das passt gut,“ erzählt Christina, die neben zwei festen Geschäften auch einen E-Shop betreibt.

„Natürlich ist das nicht so einfach, wie auch sonst nichts in der heutigen Modebranche. Die kleinen Läden werden immer weniger,“ gesteht Christina. Im selben Atemzug ergänzt sie aber, dass es nicht vollkommen hoffnungslos sei: „Im Einzelhandel sind wir der einzige Bereich, über den man sagen kann, dass er eine Zukunft hat und wachsen könnte. Deswegen läuft es trotzdem – aber klar, es steckt viel Arbeit und Werbung dahinter, um die Leute auf uns aufmerksam zu machen.“

Neben New York, Paris und London ist Berlin noch immer ein wenig das Aschenputtel im Modebereich. Öfter als große, funkelnde Marken werden viele kleine, alternative Labels gegründet. Und die haben ihren ganz eigenen Stil. „Ich denke, dass wir viel legerer sind als viele andere Städte,“ sagt Christina. Sie bestätigt damit, was ich schon seit Jahren erlebe. In Berlin fühle ich mich mit meiner gewohnten, tschechischen Kleidung schon ein wenig „overdressed“. Und dabei habe ich schon absichtlich fast nur schwarze Sachen in den Koffer gepackt.

Worin die deutsche Metropole voraus ist, ist gerade alternative und ökologische Mode. Eine winzige, aber sichtbare Nische, für die sich vor allem junge Intellektuelle interessieren, bei denen es zum guten Ton gehört, als Vegetarier oder Veganer zu leben. Aber bei weitem nicht nur sie. Die Vorstellung, dass ähnliche Geschäfte höchstens schlabberige Gewänder für Hippies und Biomütter anbieten, passt nicht zur Wirklichkeit. „Bei uns gibt es alles – für Leute, die Jeans und T-Shirt tragen, elegante Kleider und Blusen bis hin zum Businessstil,“ betont Christina. Die „langsame“ Mode hat heute in Berlin auch ihre eigene Fashion Week. Einige Marken arbeiten gezielt mit den Trends, denen die großen, weltbekannten Modeproduzenten folgen und stimmen ihre Kollektion mit den Modellen und Farben ab, die den Ton der jeweiligen Saison angeben. Andere wiederum setzen auf die Klassiker, die mit leichten Variationen immer wiederkehren.

„Für uns ist es wichtig, dass die Leute das, was sie kaufen, dann auch wirklich nutzen. Wenn ich sehe, dass sie von etwas nicht überzeugt sind, dränge ich Ihnen das Produkt nicht auf,“ sagt Christina. Kunden berät sie gern, aber sie lässt ihnen beim Einkauf auch Zeit: „Die Mehrheit überlegt etwas länger, weil sie mehr Geld ausgeben müssen und das nicht so einfach ist, als wenn sie etwas für zehn Euro kaufen. Ich hoffe, dass das dann aber ihre Lieblingsteile werden, die sie lange und gern tragen,“ fügt Christina hinzu.

In der tschechischen Modebranche hat Oľga Garajová, die Inhaberin des E-Shops und Prager Showrooms EtikButik, einen ähnlichen Weg wie Christina Wille eingeschlagen. Das Geschäft, das seinen Kunden neben ökologischer und Fair-Mode auch vegane Schuhe anbietet, gibt es seit 2015. „Ich selbst esse seit über 13 Jahren kein Fleisch, Lederschuhe sind für mich keine Option mehr und billige Kunstlederschuhe von bekannten Ketten fallen schnell auseinander,” erklärt Oľga die Umstände, die sie zusammen mit der Sorge um die Umwelt dazu geführt haben, die EtikButik zu eröffnen. Heute sucht sie, nach eigenen Worten sorgfältig, ethische und vegane Ware für das Sortiment aus – Kleidung, Schuhe, Accessoires, Rucksäcke und Handtaschen, Naturkosmetik, Schmuck und weitere Kleinigkeiten.

Und wie läuft das Projekt hier in Tschechien? „Das ist eine schwierige Frage, da ich nicht weiß, wie ich Erfolg definieren soll,“ antwortet Oľga, „für mich hat mein Laden Erfolg, von Jahr zu Jahr wird er größer.“ Das Interesse an ihren Waren wächst und ihrer Meinung nach steigen mit jedem neuen Kunden die Chancen, dass sich in den Köpfen der Menschen und auch in der Modeindustrie etwas ändert. Und wohin macht sich Oľga bald auf den Weg, um sich weiter inspirieren zu lassen? Nach Berlin. Wohin sonst?