Ricarda Böhme
Worin besteht Ihre persönliche Motivation, sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren?
Als Koordinatorin für die trinationale Theaterinitiative J-O-Ś, hier im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien, welche auf einer Langzeitkooperation der Schauspielhäuser in Liberec, Jelenia Góra und Zittau beruht, gehört der Aufbau eines deutsch-tschechischen Beziehungsgeflechts und das Wirken darin zur täglichen Kür.
Unser Theaterprojekt beruht auf dem Austausch von Künstlern und Publikum und der intensiven Zusammenarbeit von Kreativen aus allen drei Nachbarländern, die über die Sprache der Kunst zum interkulturellen Dialog finden. Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen mit je starken Traditionen kann auf künstlerischer Ebene Synergien und Mehrwert erzeugen. Mit Blick auf die künstlerische Arbeit erhoffen sich die beteiligten Theaterhäuser durch den Austausch von dramaturgischen Werken aus dem Kulturgut der Nachbarländer eine Erweiterung ihrer Inspirationsquelle. Besonderes Interesse besteht am Kennenlernen anderer Arbeitsweisen und neuer Ästhetiken. Gleichwohl gilt es landesspezifisches Kulturerbe zu bewahren und durch die gemeinsame Entwicklung von neuen Werken zur Entfaltung desselbigen beizutragen.
Die Kraft, die aus dem künstlerischen Projekt selbst erwächst, und der Anspruch zum Erreichen gemeinsamer Ziele und an sich selbst, ist tägliche Motivation für die intensive Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Nachbarländern wie der Tschechischen Republik. Dabei gilt es auch, immer wieder neue unerwartete Herausforderungen zu meistern.
Welche Bedeutung hatte bzw. hat Ihrer Meinung nach die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat sich mit seinen Förderprogrammen der Initiierung und Umsetzung binationaler Vorhaben aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, der Wissenschaft und Kultur verschrieben. Beschränkten sich beispielsweise grenzüberschreitende Vorhaben unseres Theaters vor der Gründung des Zukunftsfonds auf den Austausch von Gastspielen – zu verdanken dem persönlichen Interesse von Theaterintendanten und -direktoren – ist heute durch die finanzielle Unterstützung von künstlerischen Projekten, der Transfer von Personen sowie Wissen über und von Kunst und Kultur aus dem jeweils anderen Nachbarland um einiges intensiver.
Was ist in Ihren Augen das größte Verdienst des Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds?
Mit der Unterstützung ausgewählter Projekte trägt der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds zur erfolgreichen Umsetzung völkerverbindender Vorhaben bei und damit zur Vernetzung von Akteuren jenseits der Grenze.
Dank der mehrfach erhaltenen Unterstützung durch den Zukunftsfonds konnte das Gerhart-Hauptmann-Theater trinationale Jugendtheaterprojekte, Koproduktionen mit Schauspielern aus allen Partnertheatern sowie Inszenierungen mit deutsch-tschechischer Thematik wie beispielsweise „Alois Nebel“ realisieren. Darüber hinaus waren regelmäßig tschechische Schauspielensembles beim internationalen Theaterfestival J-O-Ś in Zittau zu Gast, dabei konnten sie dem Theaterpublikum einen Einblick in die Kultur der Nachbarn ermöglichen und die Schönheit der Nachbarsprache vermitteln. Der entscheidende Mehrwert durch die Unterstützung des Zukunftsfonds entstand durch die Steigerung der internationalen Aktivitäten und damit im Erreichen einer größeren Bevölkerungszahl, über den grenznahen Raum hinaus.
Die kontinuierliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Akteuren trägt zur Entwicklung und Verstetigung stabiler und verlässlicher Partnerschaftsstrukturen bei, die über den geförderten Projektzeitraum hinaus bestehen. Wiederkehrende Veranstaltungen lassen sich als kulturelle Höhepunkte für die deutsch-tschechische Bevölkerung in der Region etablieren, die gerade im ländlich geprägten Raum eine steigende Anziehungskraft entwickeln können.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen?
Die Kunst, speziell das Medium Theater, besitzt die Fähigkeit, die Entwicklung einer gemeinsamen Identität in einer Region wie dem Dreiländereck zu unterstützen. Theater ist offener Raum zur Begegnung mit anderen Kulturen und Sprachen. Unsere Region ist gekennzeichnet durch das Aufeinandertreffen von verschiedenen Völkern entlang mehrerer Grenzen. Sprachunterschiede und historische Ereignisse prägten die Einstellung mehrerer Generationen von Deutschen und Tschechen zueinander. Jedoch ist die gegenwärtige Entwicklung dieser Grenzregion beispielhaft für das Zusammenwachsen Europas. Langfristiges Ziel sollte es sein, zu einer gemeinsam gefühlten und gelebten Region zusammenzuwachsen. Hierbei können durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds geförderte Projekte entscheidend beitragen.
Im Hinblick auf die weitere Umsetzung deutsch-tschechischer Theaterprojekte, mögen diese erfolgreich die Nachbarsprachen und die kulturell-spezifischen Besonderheiten der Bühnenkunst aus dem jeweils anderen Land dem eigenen Publikum vermitteln und dieses zu einem Miteinander in der Grenzregion inspirieren.